Industrie-Lexikon

RĂ€umen

Das RĂ€umen ist ein Fertigungsverfahren der Zerspantechnik, bei dem ein RĂ€umwerkzeug auf einer RĂ€ummaschine an einem WerkstĂŒck entlanggezogen wird (AußenrĂ€umen) oder durch eine bereits vorhandene Bohrung hindurchgezogen wird (InnenrĂ€umen). Das Werkzeug verfĂŒgt ĂŒber mehrere Schneiden, die hintereinander angeordnet sind und jeweils um die Spanungsdicke gestaffelt sind. Die Zustellung ist also im Werkzeug integriert. Da die Geometrie der Schneidkeile bekannt ist, zĂ€hlt das Verfahren zum Spanen mit geometrisch bestimmter Schneide, zu dem auch das Drehen, FrĂ€sen oder Bohren zĂ€hlen.

Typischerweise wird das Werkzeug durch eine Bohrung im WerkstĂŒck gezogen, wodurch der Werkzeugquerschnitt im WerkstĂŒck abbildet. Das RĂ€umen lĂ€sst sich jedoch auch mit bewegten WerkstĂŒcken durchfĂŒhren oder zur Erzeugung von außenliegenden FlĂ€chen. Typische Formen sind Nuten, allgemeine Profile und Innenverzahnungen. Das RĂ€umen ist ein sehr produktives und genaues Verfahren. Mit nur einem einzigen Hub lassen sich damit auch kompliziertere Formen in FertigteilqualitĂ€t erzeugen, die sich mit konventionellen Verfahren wie Drehen, Bohren oder FrĂ€sen nicht oder nur schwer herstellen lassen. DafĂŒr sind die RĂ€umwerkzeuge relativ teuer und eignen sich nur fĂŒr eine bestimmte Form, die FlexibilitĂ€t ist also gering. Angewendet wird das RĂ€umen daher meist zur Fertigung komplexer Formen in großen StĂŒckzahlen im Automobilbau und Maschinenbau. Die Werkzeuge bestehen meist aus beschichtetem oder unbeschichtetem Schnellarbeitsstahl und werden bei Bedarf nachgeschliffen; nur in seltenen FĂ€llen kommt auch Hartmetall oder Schneidkeramik zum Einsatz: etwa beim HartrĂ€umen, einer Variante des Hartzerspanens von Werkstoffen mit einer HĂ€rte von ĂŒber 50–60 HRC. Die Schnittgeschwindigkeiten liegen im Bereich von 1 m/min bis 30 m/min, beim HochgeschwindigkeitsrĂ€umen auch bis zu 129 m/min. Mit dem RĂ€umen lassen sich ISO-Toleranzen von IT8 bis IT7 und Rauheiten von 1,6 bis 25 ”m erzielen.


RĂ€umverfahren
Das RĂ€umen lĂ€sst sich nach mehreren Kriterien Einteilen. Die in der spanenden Praxis und Fachliteratur hĂ€ufig angewendete Einteilung nach DIN 8589 erfolgt nach der erzeugten Form in Plan-, Rund-, Schraub-, Profil-, und FormrĂ€umen. Diese werden jeweils nochmal nach InnenrĂ€umen und AußenrĂ€umen unterteilt. In der Praxis wird beim RĂ€umen jedoch davon abweichend meist direkt nach Innen- und AußenrĂ€umen unterschieden da diese verschiedene Werkzeuge und Maschinen erfordern.  Außerdem gibt es noch die Sonderverfahren DrehrĂ€umen, KettenrĂ€umen sowie die Hartbearbeitung die meist als Trockenbearbeitung ohne KĂŒhlschmierstoff erfolgt und das HochgeschwindigkeitesrĂ€umen mit Schnittgeschwindigkeiten bis 120 m/min.

Einteilung nach DIN 8589
In der DIN 8589 werden sĂ€mtliche spanenden Fertigungsverfahren definiert und eingeteilt. Alle Verfahren haben dort eine Ordnungsnummer. Bei den RĂ€umverfahren beginnt diese immer mit der Folge 3.2.5. Dies steht fĂŒr die dritte Hauptgruppe (Trennen), die zweite Gruppe (Spanen mit geometrisch bestimmter Schneide) und das fĂŒnfte Verfahren (RĂ€umen). Die weitere Unterteilung erfolgt nach der erzeugten Form. Die Ordnungsnummer 3.2.5.4 ist nicht belegt, da die spanenden Verfahren nach einem einheitlichen Schema unterteilt werden. Die vierte Verfahrensvariante ist fĂŒr eine wĂ€lzende Vorschubbewegung vorgesehen wie beim WĂ€lzfrĂ€sen oder WĂ€lzhobeln. Da es beim RĂ€umen keine Vorschubbewegung gibt, entfĂ€llt die Ordnungsnummer.

PlanrÀumen
Das PlanrĂ€umen trĂ€gt die Ordnungsnummer 3.2.5.1 und dient zur Fertigung von ebenen FlĂ€chen die Innen oder Außen liegen können. Dazu zĂ€hlen Nuten, die TrennflĂ€chen an Zylinderblöcken bei Motoren und die AuflageflĂ€che von Schrauben an Kurbelwellenlagerdeckeln. 

RundrÀumen
Das RundrĂ€umen mit der Ordnungsnummer 3.2.5.2 wird nur zum InnenrĂ€umen runder Querschnitte eingesetzt.  Es wird gelegentlich als kombiniertes RundrĂ€umen und anschließendes ProfilrĂ€umen mit einem einzigen Werkzeug genutzt, etwa bei der Verzahnungsherstellung.  Runde InnenflĂ€chen lassen sich durch Bohren oder Innendrehen meist wirtschaftlicher erzeugen. FĂŒr hohe QualitĂ€ten wird das Reiben genutzt.

SchraubrÀumen
Das SchraubrĂ€umen mit der Nummer 3.2.5.3 dient zur Herstellung schraubiger Formen etwa fĂŒr schrĂ€gverzahnte ZahnrĂ€der. Dabei wird der geraden Schnittbewegung noch eine rotierende Bewegung ĂŒberlagert. Beide können entweder vom WerkstĂŒck oder Werkzeug ausgefĂŒhrt werden.

ProfilrÀumen
Das ProfilrĂ€umen mit der Nummer 3.2.5.5 ist das am hĂ€ufigsten eingesetzte Verfahren zur Erzeugung beliebiger Profile, die mit einem profilierten Werkzeug hergestellt werden. Anwendungen sind die Herstellung von innenliegenden Profilen wie Verzahnungen, Innensechskante, Innenvierkante und Mehrkante, HohlrĂ€der fĂŒr automatische Getriebe, Schiebemuffen, Keilnaben­profile oder Keilwellen­profile. Wenn die Profile nicht rotationssymmetrisch sind, kann das Werkzeug seitlich verlaufen, was zu schlechten Lagegenauigkeiten fĂŒhrt. Außenprofile werden ebenfalls hergestellt. Am hĂ€ufigsten sind Lenkzahnstangen, Lenkmuttern oder Halbbohrungen von Kurbelwellenlagerdeckeln. Außerdem wird es fĂŒr sogenannte "Tannenbaum"-Profile eingesetzt, mit denen Turbinenschaufeln an deren Welle verankert werden. Das Außen-ProfilrĂ€umen eignet sich auch fĂŒr geschlossene Profile wie Stirnverzahnungen, was als Tubus- oder TopfrĂ€umen bezeichnet wird. Das Werkzeug besteht dabei aus einem hohlen Zylinder mit nach innen gerichteten Schneiden, durch das das WerkstĂŒck gedrĂŒckt wird. Es gibt auch Varianten mit bewegtem Werkzeug. RĂ€umen von Innenprofilen mit einem Bund wird als Sackloch­rĂ€umen bezeichnet, was jedoch nur selten genutzt wird. 

FormrÀumen
Das FormrĂ€umen trĂ€gt die Ordnungsnummer 3.2.5.6 und wird mit gesteuerten kreisförmigen Schnittbewegung eingesetzt zur Erzeugung beliebiger Formen. Es wird unterschieden zwischen dem SchwenkrĂ€umen mit stehendem WerkstĂŒck und rotierendem Werkzeug und dem DrehrĂ€umen mit rotierendem WerkstĂŒck Ă€hnlich wie beim Drehen.  Es wird außerdem unterschieden zwischen dem einfachen DrehrĂ€umen mit gerader Werkzeugbewegung und dem RotationsdrehrĂ€umen mit rotierenden Werkzeugen. Das DrehrĂ€umen vereint dabei die Vorteile des Drehens als kontinuierlichem Prozess mit denen des RĂ€umens mit vielschneidigen Werkzeugen. Es wurde erstmals 1982 in industriellem Maßstab von amerikanischen Automobilherstellern fĂŒr die Bearbeitung von Kurbelwellenhauptlagern eingesetzt, war jedoch schon lĂ€nger bekannt. Wegen der aufwendigen Werkzeuge eignet es sich nur fĂŒr die Großserien und Massenproduktion, ist wegen der niedrigen Taktzeiten dafĂŒr jedoch sehr gut geeignet. Die Maß- und Formgenauigkeiten sind grundsĂ€tzlich gut; Abweichungen von der Rundheit sind jedoch der Kinematik des Verfahrensprinzips geschuldet und lassen sich nicht vermeiden, sind jedoch nicht besonders hoch und liegen zwischen fĂŒnf und zehn Mikrometern. Die Rauheiten liegen bei etwa Rt=6–8”m und Ra=0,5–0,7”m. Falls die Werkzeugbewegung linear, ist Ă€ndert sich der Vorschubrichtungswinkel wĂ€hrend der Bearbeitung. Werkzeug-Span- und Freiwinkel sind daher nicht mehr nĂ€herungsweise identisch mit dem Wirk-Span- und Freiwinkel. Außerdem Ă€ndert sich die Spanungsdicke wĂ€hrend eines Zahneingriffs Ă€hnlich wie beim FrĂ€sen. Die Schneiden bestehen beim DrehrĂ€umen meist aus Hartmetall oder Schneidkeramik. Sie werden als Wendeschneidplatten in die Werkzeuge eingesetzt, die somit auch an verschiedene Formen angepasst werden können.

InnenrÀumen
Beim InnenrĂ€umen wird das RĂ€umwerkzeug zuerst in das vorgebohrte Loch des WerkstĂŒckes durchgefĂŒhrt und von der anderen Seite gegriffen, bevor die eigentliche Arbeitsbewegung einsetzt. Dabei wird die RĂ€umnadel mit ihren vielen Schneiden durch das WerkstĂŒck hindurch gezogen oder auch hindurch gedrĂŒckt und erzeugt dabei im Durchbruch des WerkstĂŒckes die Kontur der RĂ€umnadel.

AußenrĂ€umen, KettenrĂ€umen
Wird das Werkzeug außen am WerkstĂŒck wĂ€hrend des Arbeitshubes entlanggefĂŒhrt, spricht man vom sogenannten AußenrĂ€umen. Hierbei wird durch das RĂ€umwerkzeug eine vorbearbeitete Außenkontur am WerkstĂŒck, z. B. die Maulöffnung eines geschmiedeten SchraubenschlĂŒssels fertig bearbeitet. Wegen der großen Schnitt- und AbdrĂ€ngkrĂ€fte muss das zu bearbeitende Material starr eingespannt und abgestĂŒtzt werden. Beim AußenrĂ€umen kann man bei einem feststehenden Werkzeug auch kontinuierlich WerkstĂŒcke vorbeifahren lassen. Dieses Verfahren nennt man KettenrĂ€umen.

Nass-, Trocken-, Hart- und HochgeschwindigkeitsrÀumen
Das RĂ€umen wird normalerweise mit KĂŒhlschmiermittel eingesetzt um den Abtransport der SpĂ€ne zu verbessern, um die Entstehung von WĂ€rme durch Schmierung zu vermeiden. Meist werden Öle eingesetzt wegen der normalerweise geringen Schnittgeschwindigkeiten zwischen 1 m/min und 30 m/min. Die Temperaturen liegen dann bei etwa 200 bis 600 °C, sodass Schnellarbeitsstahl als Schneidstoff eingesetzt werden kann. Bei besonders leistungsfĂ€higen Maschinen können auch bis zu 120 m/min erzielt werden. Die Geschwindigkeiten sind prinzipiell begrenzt da die Werkzeuge beschleunigt und wieder abgebremst werde mĂŒssen. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden jedoch die höheren Maschinenkosten fĂŒr die hohen Geschwindigkeiten akzeptiert da dadurch auch die ProduktivitĂ€t steigt. Zur Reduzierung des nötigen KĂŒhlschmiermittels können auch spezielle Beschichtungen eingesetzt werden die aus mehreren Lagen mit Hartstoffen und schmierstoffhaltigen Weichstoffen bestehen. Außerdem ist prinzipiell eine Trockenbearbeitung möglich.  Diese ist fĂŒr die Hartbearbeitung besonders gebrĂ€uchlich. Darunter wird die Bearbeitung von WerkstĂŒcken verstanden die eine HĂ€rte von ĂŒber 60 HRC aufweisen. Die hierfĂŒr verwendeten Schneidstoffe sind mindestens Hartmetall, gelegentlich werden auch Werkzeuge mit Wendeschneidplatten aus Schneidkeramik verwendet.

Quelle: Wikipedia

 

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